Projektverlauf

Hintergrund

Phasen im Projekt

Vorweg

Der vorliegende Werkzeugkasten ist das Produkt des von September 2020 bis Februar 2024 durchgeführten Projektes „Communio firmo prosperamus: Entwicklung eines Konzeptes, mit dem in stationären Pflegeeinrichtungen das Erleben einer guten Gemeinschaft gefördert werden kann“. Dieses wurde aus Mitteln der SozialstiftungNRW finanziert. Es geht auf eine Initiative der Franziskanerinnen Salzkotten und des Lehrstuhls für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke zurück und wurde gemeinschaftlich von Mitarbeiter:innen der Einrichtung Altenheim St. Clara Salzkotten und des Lehrstuhls für Pflegewissenschaft durchgeführt. Das Vorgehen orientierte sich an der Aktionsforschung und verband einen kooperativen Veränderungsprozess mit Wissensproduktion (Hart & Bond 2001). Der gesamte Projektverlauf gliederte sich in vier Phasen: Auf eine Literatursichtung und Ersterhebung folgte eine Planungsphase. Dann kam es zur Implementierung in einem Wohnbereich und endete in einer Reflexionsphase des Projektverlaufes. Die Implementierung weitete sich zudem auf die anderen Wohnbereiche aus.

Die Studie wurde von der Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft positiv bewertet (Antragsnummer 20-030). Von Beginn an wurde kollaborativ zwischen Mitarbeiter:innen der Universität und der Einrichtung ausgearbeitet, wer für die Beschreibung und Änderung des Zusammenlebens in der Einrichtung für die Studie angesprochen werden sollte. Über den gesamten Projektverlauf hinweg nahmen an der Studie 63 Personen aus der Einrichtung und ihrem Umfeld teil: Dies umfasste Mitarbeiter:innen (n=28), Bewohner:innen (n=12), Angehörige (n=14) und Zugehörige (n=9). Eine wichtige Limitation in Bezug auf die Studienteilnehmer:innen ist, dass keine Bewohner:innen mit einer fortgeschrittenen Demenz eingebundenen werden konnten. In Anbetracht der Dominanz dieser Gruppe in Pflegeeinrichtungen müssen die vorgeschlagenen Maßnahmen ggf. Überarbeitet werden.

Der Projektverlauf fiel in die Corona-Pandemie, was zu einigen Änderungen des ursprünglich geplanten Vorgehens führte. Insbesondere betraf dies die Auswertung der implementierten Maßnahmen: Anstatt nach und nach Maßnahmen in drei Wohnbereichen einzuführen, wurde sich auf eine tiefergehende Analyse der Implementierung in einem Wohnbereich konzentriert. Neben dieser Änderung des Vorgehens kam es außerdem zu Hindernissen in der Informationsweitergabe und einem erhöhten Aufkommen von Aktivitäten auf Distanz. So wurden z.B. die Interviews der Ist-Analyse digital durchgeführt und Informationsveranstaltungen für Mitarbeiter:innen mussten auf die interne Lernplattform verschoben werden.

Phase I

Die erste Phase des Projektes bestand aus zwei Aspekten: Einer Literatursuche und einer Befragung zur Wahrnehmung von Gemeinschaft in der Einrichtung. Die Literatursuche folgte den Vorgaben zu Scoping Reviews (Peters 2020) und untersuchte, welche Interventionen in Altenpflegeeinrichtungen Einsamkeit und soziale Isolation durch das Einbinden von An- und Zugehörigen zu lindern suchen. Hierbei wurden insbesondere die Interventionsmechanismen vergleichend in den Blick genommen. Zwei Reviewer:innen durchsuchten hierfür die Datenbanken MEDLINE, CINAHL, PsycINFO und Scopus nach wissenschaftlichen Fachartikeln, die zwischen 2011 und 2022 erschienen waren.
Bei der Befragung wurde sich für leitfadengestützte Interviews zu sozialen Angeboten und Aktivitäten sowie dem Miteinander der Einrichtung entschieden (Helfferich 2011). Die Leitfragen wurden für die jeweiligen Gruppen – Bewohner:innen, Mitarbeiter:innen und An- und Zugehörige – angepasst. Es wurden 19 Interviews geführt, diese wurden audiodigital aufgezeichnet, verbatim transkribiert und entsprechend der Kodierungempfehlungen von Strauss and Corbin (1998) unter Verwendung der Software MAXQDA ausgewertet.

Phase II

Die vorläufigen Ergebnisse der ersten Phase des Projektes gingen anschließend in die Konzepterstellung in der zweiten Projektphase ein. Zu diesem Zwecke wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich aus Vertreter:innen aller Zielgruppen zusammensetzte. Insgesamt fanden sieben Treffen statt, an denen 30 Personen teilnahmen. In der Konzeptentwicklungsphase traf sich die Arbeitsgruppe fünfmal und erarbeitete sukzessive über den gesamten Projektverlauf das zu entwickelnde Konzept. Das methodische Vorgehen in der Arbeitsgruppe für die Konzepterstellung orientierte sich an der Theory of Change (Breuer et al. 2020). Im Sinne dieses Modells arbeitete sich die Gruppe in einem gemeinsamen Denkprozess vom langfristigen Ziel rückwärts über die Voraussetzungen zu den Interventionen vor. Es wurde sich also zuerst gefragt, was der wünschenswerte Zustand für das Gemeinschaftsleben der Einrichtung sein könnte, dann wurden Voraussetzungen für diesen Zustand ermittelt und schlussendlich daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet.

Phase III

Die in der Arbeitsgruppe entworfenen Maßnahmen wurden anschließend in einem Wohnbereich eingeführt. Hierzu wurden zuerst drei Workshops mit insgesamt 10 Teilnehmer:innen durchgeführt. Diese hatten es zum Ziel, Maßnahmen zu priorisieren. Die Workshops waren nach den Zielgruppen aufgegliedert. Teilnehmer:innen konnten für sie besonders relevante an sie gerichtete Maßnahmen auswählen. Diese Maßnahmen wurden dann durch das Projektteam für die Implementierung vor-/aufbereitet. Nach der dreimonatigen Implementierung im Wohnbereich wurde das Vorgehen ausgewertet. Die Implementierung wurde mittels einer Check-Liste dokumentiert. Die Auswertung richtete sich nach dem Schema von Proctor et al. (2011) zu Implementierungs-Outcomes. Es wurde eine standardisierte Befragung mit 26 Personen aus dem Wohnbereich durchgeführt. In leitfadengestützten Einzelinterviews und Gruppendiskussionen mit insgesamt 10 Teilnehmer:innen wurde qualitativ ausgewertet, ob die Maßnahmen zur Erreichung der Voraussetzungen beitrugen, wie ihre Umsetzung stattfand und was Verbesserungspotentiale sein könnten.

Phase IV – Reflexion

Über den gesamten Projektverlauf hinweg war ein Steuerungsgremium eingerichtet, welches sich aus leitenden Mitarbeiter:innen und Angehörigen der Einrichtung sowie der wissenschaftlichen Projektleitung zusammensetzte. Es beleuchtete den Forschungsprozess mit einem gewissen Abstand und sollte potentielle Risiken der umgesetzten Maßnahmen herausstellen und die Umsetzbarkeit von Maßnahmen in der Einrichtung reflektieren.

Am Projektende wurden leitfadengestützte Interviews geführt (Helfferich 2011). Es wurden 24 Interviews mit Mitgliedern aller Gruppen der Einrichtung geführt, die sich um verschiedene Aspekte des partizipativen Herangehens sowie die Bewertung des gesamten Projektverlaufs und die Folgen des Projektes für Person und Miteinander drehten. Diese wurden ebenfalls audiodigital aufgezeichnet und verbatim transkribiert. Anschließend wurde sich jedoch für eine Thematic Analysis entschieden (Braun & Clarke 2022), die sich ebenfalls der Software MAXQDA bediente.

Am Ende des Projektes wurde auf der Grundlage der gesammelten Informationen der vorliegende Werkzeugkasten erarbeitet. Er verbindet zwei Elemente. Einerseits stellt er den Prozess der partizipativen Entwicklung selbst in den Vordergrund. Denn vielmehr als die konkreten entwickelten Maßnahmen, ist die modellhafte Vision einer partizipativen Gemeinschaftsbildung im Herangehen selbst begründet. Andererseits bildet er das erarbeitete Konzept ab, welches als Inspiration für zukünftige Prozesse der partizipativen Gemeinschaftsbildung in anderen Einrichtungen dienen kann.

Literatur

  • Braun V, Clarke V (2022): Thematic Analysis. A Practical Guide, SAGE Publishing, Los Angeles.
  • Breuer E, Lee L, De Silva M, Lund C. (2016): Using theory of change to design and evaluate public health interventions: a systematic review. Implement Sci 11(63)
  • Hart, Elizabeth; Bond, Meg (2001): Aktionsforschung. Handbuch für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe. Hans Huber Verlag, Bern.
  • Helfferich, C (2011): Die Qualität qualitativer Daten – Manual für die Durchführung qualitativer Interviews, 4. Auflage, VS Verlag: Wiesbaden.
  • Peters MDJ, Marnie C, Tricco AC, Pollock D, Munn Z, Alexander L (2020): Updated methodological guidance for the conduct of scoping reviews. JBI Evidence Synthesis 18(10), S. 2119-26.
  • Proctor E, Silmere H, Raghavan R, Hovmand P, Aarons G, Bunger A (2011): Outcomes for implementation research: conceptual distinctions, measurement challenges, and research agenda. Adm Policy Ment Health 38(2), S. 65-76.
  • Strauss AL, Corbin JM (1998): Basics of qualitative research. Grounded theory procedures and techniques, SAGE Publishing, Los Angeles.